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FLÄCHENFRAß!

WIR FORDERN DEN SCHUTZ DES LANDSCHAFTS- UND ERHOLUNGSRAUMES DORNBERG - BABENHAUSEN

Ortsteilsentwicklungskonzept Dornberg aus klimatischer Sicht

Bei der Vorstellung des Ortsteilsentwicklungskonzeptes (OEK) durch Herrn Moss am 13.06.19 kamen die Klimaaspekte der Bebauungen überhaupt nicht zur Sprache. Das ist merkwürdig angesichts öffentlicher Bekenntnisse von Politikern und Stadtrat zum Klimaschutz und der Ausrufung des Klimanotstandes (s.u.a. Ratssitzung vom 14.07.19). Entweder hat man im gegenwärtigen Stadium der Planungen diese Aspekte noch nicht berücksichtigt - was eine grobe Unterschätzung ihrer Relevanz wäre, - oder man glaubt, dass man sie im Rahmen der Detailausarbeitung schon in den Griff bekommen wird.

Vermutlich ist letzteres der Fall, denn man kann davon ausgehen, dass das Umweltamt - federführend für die Berücksichtigung der Belange des Klimaschutzes - Kenntnis von der Planungsskizze hatte und sie für machbar hielt. Legt man nun die neuesten Ergebnisse des Klimaschutzkonzeptes der Stadt – vorgestellt ebenfalls vom Umweltamt am 03.07.19 in einer öffentlichen Veranstaltung in der Ravenberger Spinnerei – zugrunde, so fällt auf, dass insbesondere eine Bebauungsfläche stadtklimatisch problematisch ist: das 33,1 ha große Areal zwischen Wittebreite und Röteweg, für das ein „urbanes Wohnquartier mit hoher Nutzungsmischung und 3-5 geschossiger Bebauung“ (siehe Planungsskizze vom 2.Mai 2019 zum OEK) vorgesehen ist.

Diese Fläche ist deshalb stadtklimatisch relevant, weil sie – neben der übrigen Freifläche zwischen Babenhausen, Großdornbergerstraße, Gellershagen - ein hohes Kaltluftpotenzial darstellt. Solche Kaltluft-Enstehungsflächen versorgen die Stadt mit Frischluft. Die Hauptwindrichtung ist in diesem Gebiet West-Ost (siehe Karte), d.h. die Ortsteile Gellershagen und Schildesche werden von diesem Gebiet mit Frischluft versorgt (siehe auch: Böttner, Fischer,Kuhr, Bielefeld 2000plus). Schneidet man einen beträchtlichen Teil des Kaltluftenstehungsgebietes ab und stellt darüberhinaus am Rande mit mehrgeschossigen Gebäuden zu, so wird die Frischluftversorgung beeinträchtigt mit der Folge einer signifikanten Erwärmung der genannten Stadtteile.

Um die Bedeutung des Klimaeffekts von Kaltluftenstehungsgebieten im städtischen Windfeld zu verstehen, hier eine kurze Erklärung:

Das Windfeld einer Stadt unterscheidet sich durch den Strömungswiderstand der Baukörper

erheblich von dem Windfeld des Umlandes. Die Windgeschwindigkeiten sind in der Stadt um 10-20% geringer und es gibt viel häufiger Windstillen. Streicht der Wind über ein Katluftenstehungsgebiet, so transportiert er die Kaltluft in die wärmeren Teile der Stadt, die in der Windrichtung liegen und bewirkt dort eine Abkühlung. Wenn - durch die Wetterlage bedingt - keine stärkeren Windbewegungen in einer Region auftreten, machen sich im Stadtgebiet darüberhinaus Luftbewegungen bemerkbar, die sonst meist von den wetterbedingten Winden überlagert werden. Man bezeichnet sie als Flurwinde. Sie beruhen auf Temperaturunterschieden zwischen Teilen der Stadt bzw. der Stadt und dem Umland. In den wärmeren Arealen entstehen durch die aufsteigende Luft lokale Tiefdruckzonen. Sie saugen die Luft aus den kälteren Arealen (lokale Hochdruckzonen) an. Der Effekt ist umso stärker, je höher und stabiler die Temperaturunterschiede sind. In den späteren Nachtstunden z.B. ist die Stadt wärmer als das Umland, was dazu führt, dass ein Wind vom kälteren Umland in die wärmere Stadt hineinweht. Dasselbe kann zwischen wärmeren (z.B. dichtbebauten Gebieten) und kälteren Zonen (z.B. Parks und Grünanlagen) innerhalb der Stadt erfolgen. Diese Flurwinde sind für die Erneuerung der Stadtluft von hoher Bedeutung und müssen deshalb bei einer Stadtplanung unbedingt berücksichtigt werden.

Anscheinend wurden diese Erkenntnisse bei der Überplanung der Fläche Wittebreite/ Röteweg nicht berücksichtigt. Dass Klimabelange nur schwer Eingang finden in die Planungen des Bauamts der Stadt Bielefeld, sieht man u.a. an der Baustruktur von Hof Hallau, die gar nicht solange zurückliegt (2007). Der federführende Architekt hatte in seiner ursprünglichen Skizze den Frischluft versorgenden Hangabwind vom Teutoburger Wald berücksichtigt und die Gebäude von Hof Hallau parallel zur Hauptwindrichtung ausgerichtet. Das gefiel der damaligen Stadtverwaltung nicht so ganz, sie veränderte den Plan in einem entscheidenden Punkt: sie fügte vier langgestreckte, mehrgeschossige Gebäude parallel zur Stadtbahnlinie 4 im Bereich der Endhaltestelle Lohmannshof hinzu und blockierte damit den Hangabwind. In der Folge bildete sich rund um die Endhaltestelle eine Wärmeinsel (siehe aktuelles Klimagutachten vom 03.07.19). Mit dieser Planveränderung hatte es das Bauamt geschafft, die Wohnqualität im gesamten Bereich der Endhaltestelle zu verschlechtern. Man darf gespannt sein, welche Gebäudestruktur sich das Bauamt im 33 ha großen Gebiet zwischen Röteweg und Wittebreite ausdenkt. Die Richtung der geplanten Verbindungsstraße zwischen Schloßhofstraße und Babenhauser Straße sowie die in einigem Abstand daneben geführte Trasse der verlängerten Stadtbahnlinie legen Gebäudestruktur nahe, die parallel dazu liegt. Sie würde eine Frischluftzufuhr für den Stadtteil Schildesche vollends blockieren.

Dieter Kammerer

Aktuell

Der Verein pro grün e.V. pflegt eine interaktive Karte, die anonymisiert Häuserleerstand und Baulücken in Bielefeld aufzeigt. https://progruen-ev.de
Wir werben um Beteiligung, um zu hinterfragen, ob von Seiten der Stadt genug getan wird, um nachzuverdichten anstatt Natur zu überbauen.
Interaktive Karte zum Regionalplan Interaktive Karte
Unsere interaktive Karte zu allen einzelnen im neuen Regionalplan zur künftigen Bebauung beantragten Flächen Bielefelds. Auf der Basis von Fachinformationen von Expert:innen des Klima- und Naturschutzes.

Reaktionen aus der Politik im Pressearchiv.
Die Verwaltungsvorlage zur Sitzung des Stadtrates am 18.3.2021, der sich gegen einige Flächen ausgesprochen hat.

Wir danken Ihnen für die knapp 700 Einwendungen, die Sie über diese Seite erstellt haben. Leider wurden diese so gut wie alle von der Bezirksregierung abgelehnt, was viel über die Realität der Bürgerbeteiligung im Land aussagt und was die Naturschutzverbände zum Rückzug aus den Beteiligungsverfahren veranlasst hat.